MSR Datenlogger im Einsatz für Lawinen-Airbag-Test
Der nachfolgende Artikel ist erschienen im Schweizer Konsumentenmagazin K-Tipp 06/2011.
Können Spezialrucksäcke Lawinenopfer verhindern? Ein Test des Schweizer Konsumentenmagazins K-Tipp zeigt: Die Notfallsysteme sind durchaus brauchbar.
Wer in eine Lawine gerät und verschüttet wird, hat schlechte Überlebenschancen. Das zeigen die Zahlen des WSL-Instituts für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) in Davos GR: Ist der Kopf in den Schneemassen begraben, erstickt jedes zweite Opfer. In den letzten drei Jahren starben in der Schweiz 68 Menschen in Lawinen. Die größten Überlebenschancen haben die Opfer, wenn sie in den ersten 15 Minuten gefunden und geborgen werden. Entscheidend ist also: Die Lawinenopfer müssen schnell gefunden werden. Und sie dürfen nicht zu tief im Schnee begraben sein. Hier setzen die zwei modernen Lawinen-Notfallsysteme an, die der K-Tipp getestet hat:- Das Airbag-System: Es funktioniert mit aufblasbaren Luftkissen. Sie bewirken, dass das Opfer in den Schneemassen obenauf schwimmt, also weniger tief verschüttet wird. Der K-Tipp testete zwei Produkte dieser Kategorie: Beim ABS-Modell blasen sich zwei seitliche Airbags auf, beim Snowpulse entsteht eine Hals-Kopf-Krause. Beide Modelle muss man manuell auslösen. Mitgeführt werden sie in Spezialrucksäcken.
- Der Lawinenball: Der Avalanche Ball ist gemäß Eigenwerbung «das weltweit schnellste Ortungssystem für Lawinenverschüttete». Wer in eine Lawine gerät, muss hier ebenfalls eine Reißleine ziehen. Daraufhin entfaltet eine Springfeder einen roten Ball. Dieser ist mit einer Schnur mit dem Verschütteten verbunden. Weil der Ball auf der Lawinenoberfläche bleibt, ist das Opfer schnell auffindbar.
Testpuppen waren nur wenig verschüttet
Doch was taugen die bis zu 1200 Franken teuren Lebensretter? Das wollte der K-Tipp mit einem groß angelegten Praxistest wissen (siehe unten «So wurde getestet»). Resultat: Die beiden Airbagmodelle schneiden gut ab. Das liegt zum einen an der guten Sichtbarkeit, also an der Tatsache, dass der Airbag plus allenfalls ein Körperteil stets gut zu sehen waren, als die Tester nach Niedergang der Lawine ihre Puppen suchten. Auch punkto Verschüttungstiefe sind die Airbagsysteme eine brauchbare Überlebenshilfe. Allerdings können sie eine lebens gefährliche Verschüttung nicht immer verhindern – auch wenn die Hersteller das Gegenteil suggerieren.
Im Test zeigte sich aber immerhin: Nur in 6 von 14 Fällen war der Kopf der Testpuppen – und damit Mund und Nase – tiefer als zehn Zentimeter verschüttet. Die maximale Verschüttungstiefe betrug in zwei Fällen 40 Zentimeter. ABS-Sprecherin Julia Schmideder sagt dazu: «Bei Testpuppen kommt es eher zu einer Ganzverschüttung, da sie sich nicht bewegen können.» Zum Vergleich: Die Testpuppen ohne Notfallsystem wurden bis zu einer Tiefe von 85 Zentimetern begraben. In den meisten Fällen ragte auch kein Körperteil aus dem Schnee – Suche und Bergung hätten deshalb viel länger gedauert. Nur genügend schneidet der Lawinenball ab. Er war zwar jeweils sofort sichtbar. Weil der Ball das Lawinenopfer nicht nach oben spülen kann, lagen Mund und Nase aber zwischen 10 und 70 Zentimeter tief im Schnee.
Alle diese Geräte müssen von Hand ausgelöst werden. Das ist ein Nachteil: Wer beim Anrollen einer Lawine in Panik gerät oder aus anderen Gründen den Auslösegriff nicht ziehen kann, verliert die Vorteile seines Notfallsystems. Beide Systeme können zudem Verletzungen durch mitgerissene Steine nicht verhindern. Und sie bieten auch keinen Schutz, wenn die Lawine das Opfer eine Felswand hinabschleudert. Viel wichtiger ist es, keine unnötigen Risiken einzugehen und einen Lawinenunfall möglichst zu vermeiden.
- Informieren Sie sich über die Wetter- und Lawinensituation
- Bereiten Sie sich zu Hause vor und beurteilen Sie vor Ort laufend die Verhältnisse, das Gelände sowie die beteiligten Personen.
- Besonders wichtig: Stellen Sie das Lawinenverschüttetensuchgerät auf Senden, Schaufel und Sonde nicht vergessen (Standard-Notfallausrüstung).
- Brechen Sie nie alleine auf und folgen Sie keinen fremden Spuren, die in unbekanntes Gelände führen.
- Meiden Sie die steilsten Hangpartien. Beurteilen Sie frische Triebschneeansammlungen kritisch. Beachten Sie die Erwärmung im Verlaufe des Tages. Befahren Sie Schlüsselstellen und extreme Steilhänge einzeln.
- Wem Wissen und Erfahrung fehlen, der schließt sich besser einer geführten Gruppe an oder bleibt auf markierten Pisten.
So wurde getestet
Der K-Tipp-Test ist die weltweit größte unabhängige Prüfung von Lawinen-Notfallsystemen der letzten zehn Jahre. Er fand Ende Februar während zwei Tagen im Gebiet des Flüela Passes statt. Der Test wurde in Zusammen arbeit mit dem WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) durchgeführt.
Als Testobjekte dienten menschengroße, rund 80 Kilogramm schwere Puppen mit beweglichen Gliedmaßen. Sie wurden je viermal einer Lawine ausgesetzt (an vier verschiedenen Hängen). Die Rettungsdienst-Verantwortlichen von Davos/Klosters haben die Lawinen mit Sprengladungen ausgelöst.
Drei Puppen waren mit je einem der Testsysteme ausgerüstet, eine Vergleichspuppe trug kein Notfallsystem. Die drei Puppen wurden mit ausgelöstem Airbag bzw. mit entfaltetem Lawinenball ausgesetzt. Nach dem Lawinenabgang haben die SLF-Experten die Sichtbarkeit von Notfallsystem, Körper und Kopf beurteilt sowie die Verschüttungstiefe gemessen.
Zudem wurde das Verletzungsrisiko eingeschätzt. Dabei maßen spezielle MSR145 Datenlogger die Beschleunigung im Nackenbereich.